Fortsetzung
Gemeinschaftsgefrieranlagen in der Region zwischen Weser und Hunte
Einführung siehe Blogeintrag Kalthäuser - Teil 1
Kapitel Forschungsgegenstand: Kalthäuser sowie
Kapitel Quellen und Materialien zur Geschichte der Kalthäuser
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Forschungsgegenstand: Kalthäuser
Zur Geschichte der Kalthäuser gibt es einige Aufsätze und Einzelveröffentlichungen mit Bezug zur jeweiligen Region. Ansonsten wird das Phänomen innerhalb anderer Themen erwähnt oder behandelt, beispielsweise wenn Themen wie Ernährung, die sogenannte Wirtschaftswunderzeit, die Geschichte der Elektrizität, Modernisierung oder Technisierung im 20. Jahrhundert behandelt werden. In der regionalen Presse, in Heimatblättern oder landwirtschaftlichen Zeitschriften gibt es heute vereinzelte Berichte, beziehungsweise es werden noch bestehende Gefriergemeinschaften erwähnt. Unter volks- und kulturwissenschaftlichen Aspekten fand ich speziell über Gemeinschafts-Gefrierhäuser folgende drucktechnische Veröffentlichungen: „Die Geschichte des Gemeinschaftsgefrieranlage in Grossenmarpe" von Martin Westphal, erschienen 1991 in den „Beiträgen zur Volkskunde und Hausforschung“ des Westfälischen Freilichtmuseums Detmold; den Aufsatz „Ein Gemeinschaftskühlhaus im Landkreis Harburg - von der Gründung bis heute“ von Corinna Chuchra im „Kreiskalender 2007“, herausgegeben vom Landkreis Harburg; dann den Einzelband „Minus 20 Grad. Künstliche Kälte im Mühlviertel. Dokumentation einer Gemeinschaftstiefkühlanlage in Pfarrkirchen [Österreich, E.K.] von 1958 bis 2001“ von Hans Falkenberg, herausgegeben vom Institut für Alltagskultur in Würzburg; das Einzelheft „Materialien zu Kalthaus-Genossenschaften im Landkreis Lüchow-Dannenberg“ von Otto Puffahrt, erschienen im Selbstverlag 2009.
Gefrierfach im Kalthaus Hallstedt / Bassum. Um 2007. Foto Elsbeth Kautz.
Zur Geschichte der Kalthäuser in der Region zwischen Weser und Hunte, beziehungsweise etwas enger gefasst für das Gebiet im heutigen Landkreis Diepholz „über seine Ränder hinaus“ (in den 1950er Jahren, der Gründungszeit der Kalthäuser bestanden noch die Altkreise Grafschaft Hoya und Diepholz) gibt es bisher noch keine Einzelschrift. Allerdings werden Gemeinschaftsgefrierhäuser in verschiedenen Publikationen erwähnt, beispielsweise in den Begleitbüchern zu Ausstellungen des Kreismuseums Syke: „Wohlstand für Alle? Wirtschafts-Wunder-Jahre…“ von Gundula Rentrop und „Ernährung im Wandel der Zeit“ von der Verfasserin. In einigen Ortschroniken werden die Kalthäuser aufgeführt, desgleichen finden sich Hinweise in anderen regionalgeschichtlichen Publikationen, beispielsweise in „Twistringen und seine Ortsteile“ von Friedrich Kratzsch und Ulrich Kathmann.
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Quellen und Materialien zur Geschichte der Kalthäuser
Es wurden vielerlei Hinweise und Materialien zu Kalthäusern in der Region gesammelt, das ergibt zusammen eine gestreute Quellenlage. Für ein Gesamtbild des Phänomens boten sich deshalb unterschiedliche Herangehensweisen an. Einerseits gab es eingetragene Genossenschaften, andrerseits bestanden lose Interessengemeinschaften und privatwirtschaftliche Gemeinschaftsgefrierhäuser. Genossenschaftliche Einrichtungen wurden besonders akribisch kontrolliert, aber auch Interessengemeinschaften des bürgerlichen Rechts unterlagen der Verpflichtung, ihre geschäftlichen Vorgänge zu dokumentieren. Von privat geführten Kalthäusern standen nur wenige Materialien zur Verfügung.
Der Betrieb einer Gefrieranlage erforderte viel Bürokratie. Sammlungen, die erhalten geblieben und zugänglich sind, sind nie gleich oder in sich vollständig und ergeben immer ein etwas anderes Bild. Diverse Zeitungsmeldungen und Zeitungsanzeigen aus den Gründerjahren sind wertvolle Quellen. Später gibt es Presseberichte über Schließungen genauso wie Presseberichte über Vorstandstreffen und die jährlich stattfindenden Sitzungen, das zieht sich bis in unsere Zeit hinein. In den Adressbüchern wurden Kalthäuser verschiedentlich unter den Stichworten Kühlhäuser, Gefrierfach-Vermietung oder Genossenschaften aufgelistet. Aber, wie es sich herausstellte, eben nicht alle, weil im Umkehrschluss andere, bereits recherchierte Gefrieranlagen nicht eingetragen sind. Manchmal steht der Hinweis auf den Kalthausbetrieb bei einer Werbeanzeige unter der Privatadresse eines Einzelhändlers, wie im Falle von Herbert Wiechmann in Bruchhausen-Vilsen.[3]
Im Heimatadressbuch Grafschaft Hoya von 1959 ist der Hinweis auf das Kalthaus unter der Privatadresse zu finden.
Persönliche Kontakte waren besonders wichtige Quellen, Zeitzeugen waren immer Hinweisgeber. Heinrich Bomhoff gab freundlicherweise Fundstellen zu Kalthäusern weiter. Aus den Recherchen im Jahre 2007 ergaben sich Kontakte zu damals noch bestehenden Kalthaus-Gemeinschaften. Gespräche mit einigen Betreibern und Nutzern wurden geführt, und einige Dokumente konnten auf diesem Weg als Kopien gesichert werden. Neben den geschäftlichen Dokumenten sammelte beispielsweise die Gefriergemeinschaft Schweringhausen seit den 1980er Jahren Presseberichte über die eigene Gemeinschaft. Wegen laufenden Geschäftsbetriebs bzw. wegen Sperrfristen sind bei einigen Einrichtungen nicht alle Dokumente zugänglich. Einige der im Jahr 2007 noch vorhandenen Gemeinschaftsanlagen wurden fotografiert, Zeitzeugen wurden befragt. 2010 wurde eine Fragebogenaktion durchgeführt, die sich speziell an Land- und Hausfrauen richtete. Wenigstens ein Kalthaus besteht nach meinen Kenntnissen immer noch. Leider wurden früher kaum Fotos aus dem Alltag gemacht, weshalb bisher nur für eine privatwirtschaftliche Anlage in Wagenfeld zeitgenössische Aufnahmen dokumentiert sind.
Gezielt wurden die Kreiszeitung (Ausgabe für Syke) und der Brinkumer Anzeiger nach Artikeln und Inseraten in der Zeit der Gründungsjahre durchgesehen. Zwei Aktenbestände im Stadtarchiv Twistringen geben umfassend Auskunft über zwei Genossenschaften, das Kalthaus Mörsen und Neuenmarhorst. Über das Gemeindearchiv Kirchdorf wurden Materialien zum Kalthaus Varrel vermittelt. In anderen Archiven finden sich vereinzelte Dokumente zu Gemeinschafts-Gefrieranlagen. Nach Auflösung einer Gemeinschaft und nach Ablauf der 10-Jahresfrist zur Aufbewahrung der Geschäftspapiere wurden nur manche an ein Archiv übergeben. Insgesamt bilden aber alle zusammengetragenen Dokumente und Hinweise ein umfassendes Bild und eignen sich allemal für eine kultur- und alltagsgeschichtliche Aufarbeitung.
Einige Überschneidungen wurden bewusst stehen gelassen. Beispielsweise tauchen Aspekte der Kalthausordnung immer wieder auf. Das ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass auf deren Einhaltung immer besonders geachtet wurde. Fast in jedem Kalthaus wurden früher oder später extra Merkblätter an die Wand gehängt. Wiederholungen sind so gesehen Verknüpfungen und erlauben es, den Text je nach Interesse auch nur kapitelweise zu lesen.
[3] Heimat-Adressbuch des Landreises Grafschaft Hoya 1959.